
Einstieg in den Rüstungs- / Defence-Markt
Während große Teile des zivilen europäischen Industriesektors Jahr für Jahr mit Auftragseinbußen zu kämpfen haben, hat hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, am 4. März 2025 mit "ReArm Europe" / "Bereitschaft 2030" eine weitreichende und 800- Milliarden-EURO-schwere Initiative vorgestellt, welche die Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedsstaaten auf eine neue Ebene heben soll.
Für viele Zulieferunternehmen bietet dieser nun stark wachsende Markt große Chancen und Potenziale, zumal der Markt sehr breit gefasst ist und nicht von fernöstlicher Billigkonkurrenz unterwandert werden kann. Dieser Markt umfasst neben dem klassischen Rüstungsbereich aber auch viele zivile Bereiche, welche "kriegstauglich" gemacht werden sollen:
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Waffen & Munition
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Anlagen & Vorrichtungen für die Waffen- und Munitionsproduktion
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Geschützte Fahrzeuge & Pioniermaschinen
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Marine und Hafenanlagen
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Servicierungen und Dienstleistungen
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Kritische Infrastruktur Verkehr
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Kritische Infrastruktur Energie
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Schulungen
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AQAP - Allied Quality Assurance Publications
Um als Zulieferer Zugang zu diesen Märkten zu erhalten, sind jedoch eine Reihe von NATO-Qualitätsmanagementstandards und Zertifizierungen für die Rüstungsindustrie, wie beispielsweise die AQAP - Allied Quality Assurance Publications zu erfüllen. Diese Normen sind fester Bestandteil bei allen Aufträgen, die im militärischen Bereich vergeben werden.
Je nach identifiziertem Qualitätsrisiko und Komplexität des Vertragsgegenstandes kommen bei Ausschreibungen unterschiedliche AQAP Publications zum Einsatz und regeln unterschiedliche Sachverhalte. Die wichtigsten sind:
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AQAP 2110 enthält die Anforderungen der ISO 9001, die durch NATO-Zusatzbestimmungen ergänzt wird.
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AQAP 2131 legt die Vorgehensweise bei Endprüfungen und Tests fest.
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AQAP 2105 wird regelmäßig gesondert vertraglich vereinbart. Sie enthält Anforderungen für einen vom Auftragnehmer abzuliefernden, vertragsbezogenen Qualitätsmanagementplan.
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AQAP 2210 ergänzt AQAP 2110 und 2310 um softwarespezifische Qualitätssicherungsanforderungen.
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AQAP 2310 ist speziell für Leistungserbringer (wie Herstell-, Zulieferbetriebe und andere) im Rahmen besonders komplexer Projektierungen im Bereich der Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungswirtschaft vorgesehen. Diese Norm enthält die Anforderungen der EN 9100, ebenfalls ergänzt durch NATO-Zusatzbestimmungen.
AQAP 2110 ist der essentielle Qualitätsmanagementstandard der NATO, der speziell für die Anforderungen bei Entwicklung, Konstruktion und Produktion von Verteidigungsgütern konzipiert wurde.
Aufbauend auf den Grundprinzipien der ISO 9001 integriert AQAP 2110 zusätzliche militärische und sicherheitskritische Anforderungen, die den komplexen und risikobehafteten Charakter von NATO-Projekten reflektieren. Ziel ist die Schaffung eines transparenten, auditierbaren und risikoarmen Qualitätsmanagementsystems, das sich über die gesamte Lieferkette erstreckt.
AQAP 2110 definiert Mindestanforderungen für Vertragspartner im Verteidigungsumfeld zur Sicherstellung fehlerfreier Systeme und Produkte. Der Standard verfolgt insbesondere die Vorbeugung von Ausfällen durch umfassendes Risikomanagement, die lückenlose Nachvollziehbarkeit aller Fertigungsschritte sowie die Integration öffentlicher Auftraggeber und Behörden in alle qualitätsrelevanten Prozesse.
Wichtig zu verstehen ist, dass die Anwendung von AQAP 2110 nicht generell verpflichtend ist, sondern projektabhängig im Vertrag vereinbart wird, vor allem bei komplexen, sicherheitskritischen Beschaffungen.
Struktur und Inhalte der AQAP 2110
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Allgemeine QMS-Anforderungen: Die ISO 9001 wird übernommen und spezifisch für militärische Anforderungen adaptiert mit starkem Fokus auf Prozesskontrolle und Dokumentationspflichten.
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NATO-spezifische Ergänzungen:
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Risikomanagement: Frühzeitige Fehleridentifikation unter Einsatz von Methoden wie FMEA und zunehmend KI-gestützter Risikoanalyse reduziert Entwicklungskosten und Ausfallrisiken drastisch.
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Konfigurationsmanagement: Jede Änderung im Produktlebenszyklus wird lückenlos dokumentiert und kontrolliert.
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Rückverfolgbarkeit: Die vollständige Nachverfolgung aller Materialien, Komponenten und Prozessschritte, auch bei Sublieferanten, ist verpflichtend.
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Lieferantenschnittstellen: Der Hauptauftragnehmer bleibt für die Einhaltung der AQAP-Anforderungen in der gesamten Lieferkette verantwortlich.
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Behördliche Überwachung: Behörden haben umfassenden Zugang zu Produktionsprozessen, Prüfungen und Dokumentationen.
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Prüfplanung und Dokumentation: Systematische Prüfmittelverwaltung und detaillierte Protokollierung aller Prüfungen.
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Änderungsmanagement: Kontrolle und Freigabe sämtlicher Entwicklungs- und Fertigungsänderungen.
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Verifizierung und Validierung: Sicherstellung, dass alle Produkte den vertraglich definierten und normativen Anforderungen entsprechen.
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Interne Audits: Regelmäßige und planmäßige Überprüfung der Einhaltung der AQAP-Anforderungen, auch durch behördliche Audits.
AQAP-Implementierung:
Phase 1: Initialisierung & Scoping
Analyse des Vertrages oder der Ausschreibung bzw. der Produkte und Leistungen, welche AQAP-Norm gefordert ist/sind und welche Produkte und Prozesse betroffen sind.
Phase 2: Gap-Analyse – Wo stehen wir im Vergleich zu AQAP?
Hier wird das bestehende Qualitätsmanagementsystem (meist ISO 9001-zertifiziert) mit den spezifischen AQAP-Forderungen verglichen. Lücken (Gaps) werden identifiziert. Lücken finden sich meist im Konfigurationsmanagement, dem erweiterten Risikomanagement für Produktsicherheit, den strengeren Dokumentationspflichten oder den Prozessen für die staatliche Qualitätssicherung (GQA).
Phase 3: Prozessanpassung & Dokumentation
Die identifizierten Lücken werden geschlossen. Bestehende Prozesse angepasst, erweitert oder neue etabliert. Parallel dazu wird der spezifische Qualitätsmanagementplan (QMP) gemäß AQAP 2105 geschrieben, der diese Prozesse detailliert definiert.
Phase 4: Schulung & Audit-Vorbereitung – Fit für die Prüfung
Alle relevanten Mitarbeiter müssen in den neuen oder angepassten Prozessen geschult werden.
Der AQAP-Auditprozess
Ablauf
Der Audit-Prozess ist risikobasiert und beginnt oft mit einer Ankündigung. Das Audit selbst umfasst Dokumentenprüfungen (insbesonders des QMP), Prozessbeobachtungen in der Fertigung oder Entwicklung sowie Interviews mit Mitarbeitern, um die praktische Umsetzung der Vorgaben zu verifizieren.
Audit-Ergebnisse
Die Feststellungen werden typischerweise als Haupt- oder Nebenabweichungen klassifiziert.
Eine Hauptabweichung stellt die Vertragserfüllung in Frage, während eine Nebenabweichung eine Lücke im System darstellt, die behoben werden muss. Bei Konformität wird die Einhaltung bestätigt.
Bedeutung der Audit-Bereitschaft
Unternehmen müssen jederzeit auditbereit sein. Dies erfordert ein gelebtes und kontinuierlich gepflegtes QM-System, das über reine Papieranforderungen hinausgeht und in der Unternehmenskultur verankert ist.
Unterstützung durch SYNERCON:
SYNERCON begleitet und unterstützt Unternehmen beim Einstieg in den stark wachsenden Rüstungsmarkt. Mit Dr. Armin Zotter verfügt SYNERCON über einen Partner, der bereits seit Jahrzehnten im Rüstungsbereich tätig ist und auch selbst als staatlich befugter und beeideter Ziviltechniker Unternehmen zertifiziert. Herr Dr. Zotter berät führende Rüstungsunternehmen sowie Armeen wie die Deutsche Bundeswehr.
Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Termin mit unseren Defence-Markt-Spezialisten. Es lohnt sich auf jeden Fall!
Kontakt: Mag. Martin Wohlmuth